Shopping-Reportage aus drei Ländern: Wie wird das Einkaufen zum Erlebnis bei Burberry, Amazon und Hudson’s Bay?

Im Test hat die Einkaufsexpertin Joanna Zagrobelny Geschäfte in London, Seattle und Amsterdam einer intensiven Prüfung unterzogen. Schaffen sie es, der 25-Jährigen ein Erlebnis zu bieten, das in Erinnerung bleibt?

Joanna Zagrobelny ist 25 Jahre, arbeitet als B2C-Handels-Expertin bei Comarch in Krakau und geht privat leidenschaftlich gerne shoppen und bereist fremde Länder. Warum nicht beides miteinander verbinden? Auf ihrer Städtereise durch London, Seattle und Amsterdam begibt sich die Einkaufs-Expertin auf die Spuren des Einkaufens der Zukunft, des Luxus und neuer Technologien.

 

Slalom durch die Einkaufskanäle in London bei Burberry

Die Haupteinkaufsstraße von London, Regent Street, beheimatet Hunderte von Geschäften, darunter den exklusiven Salon des Modeunternehmens Burberry, den ich mir heute näher anschauen möchte. Tatsächlich verwischt hier die Grenze zwischen der realen und der virtuellen Welt. Bereits im Eingangsbereich machen buchstäblich überall vorzufindende großformatige Bildschirme einen imposanten Eindruck – sie versetzen den Kunden in eine völlig andere Welt. Man kommt sich vor wie auf einem erstklassigen Laufsteg, mit Zuschauern, Kamerablitzen, Models, entsprechender Beschallung, passendem Bühnenbild, einstudierter Choreografie und anerkennendem Beifall…

Auf den interaktiven Bildschirmen können Sie nicht nur Ihr Lieblingsprodukt auswählen bzw. kaufen, sondern auch Näheres über seine Herkunft sowie Verarbeitung erfahren und es Ihren Kontakten zeigen, damit sie Ihnen durch die Vergabe von Likes die Kaufentscheidung erleichtern. Es zählt nicht nur der Artikel an sich, sondern auch die dahinterstehende Botschaft. Burberry legt großen Wert darauf, innere Überzeugungen und Werte der Kunden im gleichen Maße wie ihre materiellen Bedürfnisse zu beachten. Daher setzt das Unternehmen Maßnahmen um, die nicht nur auf Profit ausgerichtet sind.


Indem der Kunde den ausgesuchten Trenchcoat anlegt und sich vor einen interaktiven Spiegel stellt, erfährt er mehr über Herkunft, Stoffzusammensetzung, passende Accessoires und wie sich das neue Kleidungsstück auf dem Laufsteg präsentiert. Die Grenzen zwischen der realen, der virtuellen und der mobilen Welt sowie Social Media sind komplett aufgehoben. Hier geht es darum, den Kunden bei seinem Slalom durch die Einkaufskanäle zu begleiten, ihm eine Auswahl zu bieten und ein grenzenloses Einkaufserlebnis zu ermöglichen.

Dass die modernen Technologien nicht nur in die Modewelt immer mehr vordringen, liegt auf der Hand; und Phänomene wie Omni-Channel, PoS-Digitalisierung oder Retailtainment stellen nur einige wenige unabdingbare Lösungen dar, die Einzelhändler bei der Neukundengewinnung unterstützen können. Besonders zu betonen ist die Tatsache, dass solche Lösungen nicht mehr nur den Luxusmarken vorbehalten, sondern inzwischen sogar für kleine und mittelständische Unternehmen in greifbare Nähe gerückt sind. Dies sind jedoch nicht alle Trends, die zurzeit in der Welt des Handels vorherrschen.

 

Mit dem Smartphone zahlen in Seattle bei Amazon

Mein nächstes Ziel ist Seattle. Ich bin gespannt, welche Überraschungen der Versandhandelsgigant Amazon, der seit Längerem den E-Commerce-Markt prägt, inzwischen aber auch mit Schwung in den Einzelhandel gestartet ist, diesmal für mich haben wird.

An der Ecke von Seventh Avenue und Blanchard Street befindet sich ein neu eröffnetes Lebensmittelgeschäft. Mit meinem Smartphone in der Tasche und der installierten Amazon-Go-App gehe ich sicheren Schrittes herein. Bereits am Eingang werde ich, ähnlich wie am Flughafen oder in einem angesehenen Unternehmen, durch Schranken begrüßt. Hier ist mein Smartphone meine Eintrittskarte. Ich scanne mein Handy und gehe weiter. Mein Einkauf ist ziemlich unspektakulär. In meiner Einkaufstasche landen ein paar Brötchen, Orangensaft, zwei Tomaten, Salzstangen, eine Packung Kekse und Trockenfleisch. Im letzten Moment tausche ich die Salzstangen gegen Pfefferminzbonbons um. Ich nähere mich der Kasse und stelle überrascht fest, dass es in dem Laden gar keine Kassen gibt. Und ebenso wenig nervige Warteschlangen! Ich brauche nicht mal nach meiner Geldbörse zu suchen, um den Einkauf mit Bargeld oder per EC-Karte zu bezahlen. Die von mir eingekauften Artikel samt den Pfefferminzbonbons sind direkt in der App aufgelistet; die Salzstangen sind selbstverständlich aus meinem Warenkorb verschwunden. Ich verlasse den Laden und erhalte eine elektronische Rechnung per E-Mail zugeschickt. Der ausstehende Rechnungsbetrag wird automatisch von meinem Bankkonto abgebucht. Da ich der in Warteschlangen üblicherweise herrschenden Hektik, die Artikel auf das Kassenband zu legen und nach dem Scannen zügig einzupacken, entkommen bin, hat mich der Einkauf zufrieden gestimmt.

Nun fange ich an zu grübeln: Wird Amazon Go von Erfolg gekrönt sein? Ist das kassenlose Konzept das, was die Kunden, insbesondere die Generationen Y und Z, erwarten? Schließlich lassen sich immer mehr Kunden dazu überzeugen, ihre Lebensmittel im Internet zu bestellen.
Ist Amazon Go wirklich ein Wegweiser für die Zukunft?

Immer mehr, vor allem junge Konsumenten kaufen Lebensmittel online ein. Es gibt aber auch eine altersübergreifende Kundengruppe, die es bevorzugt, ihre Produkte selbst auszusuchen. Den Onlinekanal empfindet sie somit als nicht zufriedenstellend und zieht ihm stationäre Geschäfte vor.

Als Antwort auf diese Bedürfnisse hat Amazon ein supermodernes Ladengeschäft eröffnet, ausgestattet mit modernen Technologien wie maschinelles Lernen, maschinelle Sehfunktionen (Computer Vision) und künstliche Intelligenz (AI), die sonst bei autonomen Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Die gesamte Ladeninfrastruktur besteht aus Hunderten an Sensoren und Kameras, die mittels Bilderkennung durch Maschinen die Kundenidentifikation und Artikelerkennung ermöglichen. Registrierkassen werden durch Smartphones abgelöst.

Hierbei handelt es sich nicht um irgendeine surreale Vision, sondern um das Geschäft der Zukunft. Laut einer durch Comarch beauftragten und von Kantar TNS durchgeführten Studie sind 86 % der Befragten der Meinung, dass Bargeldtransaktionen bis 2030 durch digitale und mobile Zahlungen vollständig abgelöst sein werden.

 

Mit Shopping-App in Amsterdam bei Hudson’s Bay

Das letzte Ziel unserer Reise sind die Niederlande. Ich entscheide mich für den Besuch einer von zehn Einkaufszentren der Marke Hudson's Bay, den Standort in der Amsterdamer Einkaufsstraße Rokin. Meine Augen glänzen, als ich das prachtvolle und luxuriöse Kaufhaus sehe. Ich bin schwer beeindruckt. Aber ich bin nicht wegen der architektonischen Vorzüge hierhergekommen. Mit meinem Smartphone und der entsprechenden App bewaffnet, betrete ich das Einkaufszentrum, um herauszufinden, welche Überraschungen meine Kollegen von Comarch im Rahmen dieses Flaggschiff-Projekts für mich parat haben.

Über meine App bestelle ich im Vorfeld eine Bluse und einen Rock aus der neuesten Kollektion eines renommierten Modeherstellers. Vor Ort mache ich mich auf die Suche nach dem Ladengeschäft. Dank der hilfreichen Navigationsfunktion, die mich sogar direkt zu dem konkreten Regal führen kann, ist das Ganze kinderleicht! Ich bin positiv überrascht; vor allem, wenn man die Größe des Einkaufszentrums und die Anzahl der dort untergebrachten Geschäfte bedenkt. Zwischendurch erhalte ich die Benachrichtigung, dass ein Friseursalon heute 15 % Rabatt auf alle Friseurleistungen anbietet. Ohne lange zu überlegen, buche ich den nächsten freien Termin. Eine Minute später erhalte ich eine Live-Chat-Nachricht: Der Stylist Noah entschuldigt sich für eine 15-minütige Verspätung und bittet um Verständnis. Ich schreibe schnell zurück und betrete dann das Bekleidungsgeschäft. Blitzschnell kommt eine nette Verkäuferin auf mich zu. Da sie mit der Historie meiner bisherigen Einkäufe vertraut ist, bietet sie mir sofort einen zu den von mir bestellten Artikeln passenden Blazer in meiner Größe an. Gekonnt überzeugt sie mich von der tollen Verarbeitung und der hervorragenden Qualität des knitterfreien Stoffes. Ich bezahle und verlasse das Geschäft. Nun ist die Anzahl der auf meinem Konto gesammelten Treuepunkte gestiegen und ich erhalte weitere, zu meinem Geschmack passende Angebote. Bald werde ich den Laden wieder besuchen, da ich mir solche tollen Angebote einfach nicht entgehen lassen kann. Als ich langsam den Weg nach Hause einschlagen will, erinnert mich die App an den vereinbarten Friseurtermin. Wieder einmal denke ich „Wow, ist die App cool und hilfreich”. Ich schalte wieder die Navigationsfunktion ein. Der Friseursalon ist gleich um die Ecke, so dass ich mir unterwegs noch einen aromatischen Espresso gönne. Mit meinen neu gestylten Haaren mache ich mich schließlich auf den Heimweg. Ich hatte einen Riesenspaß und konnte unvergessliche Einkaufserfahrungen sammeln.

Nun kann ich es kaum erwarten, dass ähnliche Anwendungen in jedem Einkaufszentrum erhältlich sind. Lässt sich das umsetzen? In der Studie „Zukunft des Einkaufens. Die wichtigsten Trends im Einzelhandel heute und 2030“, die Comarch und Kantar TNS Mitte 2017 durchgeführt haben, wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie auf Basis ihrer Daten personalisierte Angebote erhalten möchten. 43 % der Befragten aus sechs Ländern antworteten mit „Ja“ und wären dafür mit der Freigabe ihrer persönlichen Daten einverstanden. Zugleich erklärten sich 50 % der Befragten daran interessiert, personalisierte Angebote während eines Besuchs im Geschäft zu erhalten. Fast die Hälfte aller Teilnehmer möchte die Navigationsfunktion nutzen, um den gesuchten Artikel im Laden schneller zu finden. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie informiert und anspruchsvoll die Kunden von heute sind. Hudson's Bay ist der beste Beweis dafür, dass standortbasiertes Marketing einem Unternehmen wertvolle Wettbewerbsvorteile verschaffen kann.

Als Expertin für den B2C-Bereich bin ich der Meinung, dass die Fähigkeit, sich an die sich ändernden Kundenbedürfnisse und das sich wandelnde Kundenverhalten anzupassen, sowie die gekonnte Einbindung neuer Technologien für den Erfolg in der Einzelhandelsbranche ausschlaggebend sein werden. Alles deutet darauf hin, dass der Einzelhandel zukünftig nicht mehr von Produkten, sondern von den Einkaufserlebnissen der Kunden in stationären Filialen oder Onlineshops geprägt sein wird. Sich dieses Wandels bewusst zu sein und entsprechend vorausschauend zu handeln, ist bereits die halbe Miete.

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