Maschinen leben zweimal: Tipps, wie Sie die Produktion digitalisieren

Während viele Großbetriebe bereits umfassende Digitalisierungsstrategien haben, die von externen Beratungshäusern und dem eigenen CDO (Chief Digital Officer) vorangetrieben werden, wissen Mittelständler nicht so recht, wie Sie mit dem Thema umgehen sollen. Das fängt schon bei der Umgestaltung der firmeninternen Prozesse und der Entscheidung bezüglich der Unternehmens-Infrastuktur mitsamt Unternehmens-IT an: Muss ich neue Produktionsmaschinen anschaffen? Wie gehe ich dabei am besten vor? Welche neuen Anforderungen werden an meine Unternehmens-IT gestellt? Und vor Allem – was darf das Ganze kosten?

 

Die Digitalisierung der Fertigung bringt zahlreiche Vorteile mit sich: Prozesse werden flexibler, die Datenströme umfänglicher und schneller, dadurch werden für Unternehmen einerseits die Planungshorizonte kürzer es steigt aber auch die Produktivität bei kleineren Stückzahlen und mehr und mehr individualisierten Produkten. Das erklärte Ziel von Industrie 4.0 – die Effizienz der Großserie bei Stückzahl 1 zu erreichen – liegt zwar noch in einer ferneren Zukunft, doch wir bewegen uns in nie dagewesenem Tempo darauf zu.

All das wird möglich durch neue Technologien, die Menschen, Maschinen und Smart Devices miteinander verknüpfen und so den Echtzeit-Datenaustausch zwischen allen Akteuren im Internet der Dinge zu ermöglichen. Doch Datenströme alleine bringen noch keinen Mehrwert. Die im Unternehmen eingesetzte Software muss diese nutzen, um Entscheidungen zu treffen oder zu unterstützen und die Abläufe im Unternehmen und der gesamten Lieferkette effizient zu steuern. So können unerwartete Störungen oder Ausfälle schneller umgangen und behoben, frei gewordene Kapazitäten in Echtzeit neu verplant und Änderungen an alle betroffenen Stellen verlässlich kommuniziert werden. Und das alles nicht an einen Produktionsstandort sondern innerhalb der gesamten globalen Wertschöpfungskette.

Bei all den neuen Möglichkeiten, welche die Digitalisierung bietet, bleiben aber zwei Dinge beim Alten: 

  • Die rechtliche Konformität der betriebswirtschaftlichen Prozesse muss auch beim flexibelstem Geschäftsmodell garantiert sein
  • Selbst das dichteste globale Netzwerk mit umfangreichen Datenströmen braucht eine Single Source of Truth, jene Stelle, welche die Daten- und Prozesshoheit hält.


Diese beiden Anforderungen sind der Grund, warum Warenwirtschaftssysteme auch im digitalen Zeitalter nicht ausgedient haben.

Das ist jedoch leider kein Anlass, sich im Thema Warenwirtschaft vorschnell für die digitale Zukunft gerüstet zu halten. Denn die Anforderungen an ein Warenwirtschaftssystem sind heute ganz andere, als noch vor fünf Jahren. Wägten sich die IT-Leiter damals bei der Lösungs-Auswahl noch in Sicherheit, wenn Sie den Branchen-Spezialisten wählten, der mit einen hohen funktionalen Deckungsgrad aufwarten konnte, so rückt heute immer mehr die Architektur der Warenwirtschaftssysteme in den Vordergrund.

Zukunftsfähige Warenwirtschafts-Software ist kein Monolith mehr, in den unter enormem Aufwand alle Anwendungen gehauen werden müssen, sondern eine Prozess- und Datendrehscheibe, die mit verschiedensten Anwendungen und Microservices kommuniziert. Um die Abläufe im Internet der Dinge zu steuern, muss das ERP-System zu einem Teil des Internets der Dinge werden, sich also leicht in seine Architektur eingliedern lassen. Dazu gehört die Skalierbarkeit und Cloud-Fähigkeit der Lösung genauso wie die Offenheit und Performanz seiner Schnittstellen (mitsamt „offener“ Lizenzpolitik) und hohe Flexibilität beim Prozess-Design. Nur so lassen sich künftige Anforderungen an die Unternehmens-IT schnell und zu rationalen Kosten umsetzen.

Das alles klingt in der Theorie sehr gut, hat aber auch in der Praxis enorme positive Auswirkungen – wovon auch der Schweizer Mittelständler Abnox berichten kann.


Praxisbeispiel: Vor und nach Industrie 4.0 beim Mittelständler Abnox

IT-Architektur vor und nach der Einführung von Industrie 4.0

Die Firma Abnox AG produziert seit mehr als 70 Jahren in der Schweiz und sah sich angesichts globaler Mitbewerber immer größeren Herausforderungen gegenüber, effizient in der Schweiz zu produzieren. Das Portfolio der Firma umfasst über 600 Schweizer Hightech-Produkte wie Dosierventile oder Pumpen.

Die in hohem Maße manuelle Montagelinie wurde mit Hilfe der Anbindung einer IoT-Plattform ans Warenwirtschafts-System weitreichend digitalisiert und tauscht nun in Echtzeit Informationen mit dem ERP aus. So sind stets aktuelle und genaue Informationen wie Stückzahlen und Bearbeitungszeit und -status zu den aktuellen Produktionsaufträgen in allen Prozessen verfügbar. Die Mitarbeiter an der Montagelinie werden durch eine Übersicht über die zu erledigten Aufgaben und genaue Arbeitsanweisungen zum jeweiligen Produktionsschritt eines Produkts unterstützt. Dadurch wird höchste Effizienz erzielt und die Fehlerquote minimiert.

Aber auch durch die Kommunikation des Warenwirtschafts-Systems mit einzelnen im Unternehmen bestehenden Maschinen wurden die Abläufe in der Fertigung optimiert. So wurde ein bisher größtenteils manuell gesteuerte Laser durch Aufrüstung mit IoT-Hardware zum Smart Device gemacht und an das Internet der Dinge angebunden, von wo aus ihm nun die Parameter zu einzelnen Vorgängen automatisiert übergeben werden und die Kalibrierungs- und Arbeitsprozesse gemäß Produktionsplan aus dem Warenwirtschafts-System angestoßen werden.

Damit das Projekt gelingt: IoT und ERP müssen „miteinander können“ 

Die Grundlage für das erfolgreiche Projekt: Als Schnittstelle zwischen ERP und den Produktionsmaschinen der Abnox AG sowie den Benutzeranwendungen an den jeweiligen Arbeitsstationen wurde eine in der Warenwirtschaft integrierbare IoT-Plattform implementiert. Diese vernetzt Mensch, Software und Maschinen. Zudem stehen Business-Intelligence-Daten aus der Industrie-4.0-Lösung für die weitere Verwendung, beispielsweise der ständigen Optimierung der Fertigungsplanung, bereit. Um sicherzustellen, dass die Komponenten „gut miteinander können“, wurde alles aus einer Hand bezogen.


Abnox legte zudem besonderen Wert darauf, den Mitarbeitern die Wahl darüber zu lassen, in welcher Reihenfolge sie sich der Aufgaben annehmen, die erledigt werden müssen. Auch eine jederzeitige Pausierung der aktuellen Tätigkeit musste möglich sein. Wo es jedoch um Qualitätssteigerung geht, wurden durch die Digitalisierung der einzelnen Montageplätze bestehende Lücken, durch die sich Fehler einschleichen konnten, konsequent geschlossen. Jedem Mitarbeiter wird stets visuell dargestellt, wie das aktuelle Werkstück zu bearbeiten ist. Das ermöglicht neben der Fehlervermeidung auch eine Optimierung der Lernkurve für neue Mitarbeiter.

Aus alt mach neu – Dank Retrofitting bekommen Maschinen einen zweiten, digitalen Lebenszyklus 

Wie auch der Laser aus dem Beispiel bei Abnox sind viele Maschinen im Mittelstand nicht fit für das Internet der Dinge, weil ihnen einfach die entsprechenden Sensoren und Schnittstellen fehlen, um gewisse Daten zu kommunizieren oder zu verarbeiten. Durch die nachträgliche Ausstattung mit Sensoren und Aktuatoren (bspw. der Comarch IoT-Hub zur Steuerung des Lasers), welche über das Internet der Dinge kommunizieren, können mittelständische Betriebe ohne teure Neuanschaffungen Ihre Maschinenparks nachrüsten und bereits binnen kurzer Zeit an digitalen Wertschöpfungsketten teilhaben. Mit der richtigen IoT-Plattform im Hintergrund bringen diese kleinen Zusatzgeräte alle nötigen Daten vom Shopfloor in das ERP und auch wieder zurück. Wichtig ist, auch bei der Auswahl der Hardware und IoT-Plattform auf eine offene Lösung zu setzen, die einen weder bei der Auswahl der Sensorik noch bei der Auswahl der Übertragungstechnik (abhängig vom Einsatzort und -szenario) einschränkt.

 

Philipp Erdkönig Experte

Philipp Erdkönig
Strategisches Produktmanagement
Comarch
Der gebürtige Österreicher kennt den deutschen, österreichischen und Schweizer Markt aus langjähriger Erfahrung und ist Experte für die Digitalisierung der Fertigung im Zusammenspiel mit IoT.

 

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