Regionale Strategien bei E-Rechnungsmandaten: Fallstudien aus Europa und darüber hinaus

Der weltweite Vorstoß zur E-Rechnung ist im Ziel vereint, aber die Wege zu diesem Ziel sehen von Land zu Land sehr unterschiedlich aus. Während Rahmenwerke wie das ViDA der EU ein gemeinsames Ziel signalisieren, spielt sich die eigentliche Umsetzung auf nationaler Ebene ab, wo rechtliche Strukturen, technische Bereitschaft und politische Prioritäten bestimmen, wie Mandate Gestalt annehmen. In einem kürzlich von Comarch und PwC veranstalteten Webinar haben wir untersucht, wie Länder regulatorische Ambitionen in praktische Mandate übersetzen. Dieser Artikel beleuchtet diese Fallstudien, zeigt, was funktioniert, was nicht – und warum die Umsetzung wichtiger ist denn je.

Von globalen Zielen zur lokalen Umsetzung

E-Rechnung mag ein globaler Trend sein, aber kein nationaler Rollout gleicht dem anderen. Von Clearance-Modellen bis zu PEPPOL-Netzwerken geht jedes Land seinen eigenen Weg – geprägt von lokalen Einschränkungen und strategischen Entscheidungen. Die folgenden Fallstudien analysieren diese Ansätze und bieten einzigartige Lektionen in Strategie, Struktur und Umsetzung.

 
Belgien: Stufenweises Mandat mit PEPPOL als Rückgrat

Belgien verfolgt einen strukturierten Ansatz zur verpflichtenden B2B-E-Rechnung und übernimmt PEPPOL als Standardinfrastruktur. Das landesweite Mandat beginnt im Januar 2026 und gilt für nahezu alle in Belgien ansässigen und umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen, unabhängig von der Größe. Die meisten inländischen Transaktionen zwischen in Belgien ansässigen Unternehmen fallen in den Geltungsbereich, mit begrenzten Ausnahmen wie medizinischen und Versicherungsleistungen gemäß Artikel 44 des belgischen Mehrwertsteuergesetzes.

Ansatz

Rechnungen müssen in einem strukturierten Format über das PEPPOL-Vier-Ecken-Modell ausgetauscht werden, im Einklang mit der europäischen Norm (EN 16931). Ein Opt-out ist nur zulässig, wenn beide Parteien zustimmen und das Format konform bleibt.

Eine zweite Phase, die bis 2028 erwartet wird, führt Echtzeit-Berichterstattung ein und verschiebt sich hin zu einem Fünf-Ecken-Modell, bei dem Zugangspunkte Rechnungsdaten direkt an die Steuerbehörden extrahieren und melden – zur Verstärkung der Mehrwertsteuerkontrolle ohne Störung des B2B-Flusses. Diese Phase befindet sich bereits in Pilotversuchen, die Einführung des PEPPOL-CTC-Modells ist für Ende 2025 geplant.

Herausforderung

Das größte Risiko ist eine ungleichmäßige Einführung. Während Lieferanten möglicherweise PEPPOL-bereit sind, können unvorbereitete Käufer Doppelprozesse erzwingen – strukturierte E-Rechnung für einige Kunden und Fallback-PDFs für andere. Behörden raten Unternehmen, solche Ausnahmen klar zu dokumentieren, um während der Übergangszeit konform zu bleiben.

 
Frankreich: Vom Hybrid- zum Fünf-Ecken-Modell

Frankreich führt eine der komplexesten E-Rechnungsreformen in Europa durch, mit einem landesweiten B2B-E-Rechnungsmandat sowie einer E-Reporting-Pflicht für B2C- und grenzüberschreitende Transaktionen. Ab September 2026 wird die Ausstellung von E-Rechnungen für große und mittlere Unternehmen verpflichtend, kleine und Kleinstunternehmen folgen 2027. Ein Gesetzesentwurf könnte beide Fristen um ein Jahr verschieben, aber eine große Verzögerung bleibt unsicher.

Ansatz

Frankreich wechselt von einem hybriden „Y“-Modell zu einer Fünf-Ecken-Architektur, bei der alle Rechnungen über zertifizierte Dienstleister (PDPs) laufen müssen. Die nationale Plattform (PPF) dient ausschließlich als Verzeichnis und E-Reporting-Hub und übernimmt nicht mehr den direkten Rechnungsaustausch. Über die strukturierte E-Rechnung hinaus verlangt die Reform Echtzeit-Berichterstattung über B2C- und internationale Transaktionsdaten, einschließlich Statusmeldungen und Zahlungsnachverfolgung.

Herausforderung

Der breite Geltungsbereich und die doppelten Verpflichtungen schaffen eine erhebliche Compliance-Belastung. Die Integration von E-Rechnung und E-Reporting über verschiedene Transaktionstypen hinweg ist anspruchsvoll, insbesondere für kleinere Unternehmen, die sowohl technische Setups als auch PDP-Koordination bewältigen müssen.

 
Polen: Zentrale Clearance, praktisch komplex

Ähnlich wie Frankreich gilt die E-Rechnungsreform Polens als extrem kompliziert in der Umsetzung. Während Frankreich auf ein dezentrales Fünf-Ecken-Modell mit zertifizierten Plattformen setzt, verfolgt Polen ein zentrales Clearance-System (KSeF), das direkt von der Regierung betrieben wird. Das B2B-Mandat soll im Februar 2026 in Kraft treten und die meisten inländischen Transaktionen abdecken. Konzeptionell ähnelt es Italiens SDI, doch sind die technischen und rechtlichen Spezifikationen weitaus komplexer.

Ansatz

Rechnungen müssen über die staatlich betriebene KSeF-Plattform laufen. Polen verwendet ein eigenes strukturiertes Format, das nichts mit der Norm EN 16931 zu tun hat. Es ist unklar, ob die Einführung in Wellen oder per „Big Bang“ für alle Unternehmen erfolgen wird. Ein temporärer Offline-Modus könnte bis 2026 erlaubt sein, um Rechnungsberichte ohne Live-API-Übertragung zu ermöglichen.

Herausforderung

Das Haupthindernis liegt in der technischen Umsetzung. Die API von KSeF und der sich entwickelnde Rechtsrahmen sind hochkomplex, und nach öffentlicher Konsultation werden weitere Änderungen erwartet. Unternehmen sehen sich hohen Integrationsanforderungen gegenüber, erschwert durch Unsicherheiten bei den endgültigen Spezifikationen und möglichen Gesetzesanpassungen, die Mitte 2025 erwartet werden.

 
Baltische Staaten: Formatgesteuerte Reform mit Übermittlungsunsicherheit

Die baltischen Länder verfolgen einen schrittweisen, formatgesteuerten Ansatz für E-Rechnungen, der sich auf die Angleichung an die europäische Norm EN 16931 konzentriert, anstatt eine zentrale Übermittlungsinfrastruktur zu definieren. Mandate stehen bevor, aber Details sind noch in Entwicklung, und jedes Land schreitet in seinem eigenen Tempo voran.

Ansatz

In Estland ist ein landesweites Mandat für 2027 geplant, doch seit Mitte 2024 haben registrierte Rechnungsempfänger das Recht, strukturierte E-Rechnungen anzufordern. Diese Opt-in-Phase soll die Einführung erleichtern, doch breite Beteiligung wird erst näher am vollständigen Mandat erwartet.

Lettland peilt 2026 für sein B2B-Mandat an, zusammen mit einer E-Reporting-Pflicht, doch technische Spezifikationen wurden noch nicht veröffentlicht – was Anbieter und Steuerzahler in der Schwebe lässt. In beiden Ländern bleiben Übertragungskanäle undefiniert. Unternehmen könnten auf nationale Register zurückgreifen, um Lieferpräferenzen zu kommunizieren, doch es gibt keine vorgeschriebene Plattform oder Routing-Standard.

Herausforderung

Das Hauptrisiko ist die Unsicherheit bei der Übermittlung. Ohne vorgeschriebenen Übertragungskanal könnten Unternehmen mit Fragmentierung und Koordinationsproblemen konfrontiert werden – besonders wenn Registerdaten unvollständig oder inkonsistent genutzt werden. Offene Modelle bieten zwar Flexibilität, können aber die Einführung verzögern und die Integration erschweren, insbesondere für kleinere Firmen mit begrenzter IT-Kapazität.

 
Vereinigte Arabische Emirate: PEPPOL-Fünf-Ecken-Pionier

Die VAE bewegen sich rasch in Richtung eines verpflichtenden B2B-E-Rechnungssystems und werden das erste Land sein, das ein PEPPOL-basiertes Fünf-Ecken-Modell umsetzt. Die Gesetzgebung steht noch aus, wird aber in Kürze erwartet, ohne Verzögerungen. Das Mandat ist Teil einer umfassenderen digitalen Reform und könnte schließlich auch auf B2C-Transaktionen ausgeweitet werden.

Ansatz

Das Modell der VAE spiegelt die langfristige Vision Belgiens wider, schreitet jedoch in einem schnelleren Zeitplan voran. In dieser Fünf-Ecken-Architektur übernehmen PEPPOL-Zugangspunktanbieter nicht nur den Austausch von Rechnungen zwischen Unternehmen, sondern auch die Meldung der Rechnungsdaten an die Steuerbehörden. Um Vertrauen in diese Rolle zu schaffen, setzen die VAE einen strengen Akkreditierungsprozess durch. Nur Anbieter, die spezifische Kriterien erfüllen – wie eine Mindestmarktpräsenz und ISO-Zertifizierungen – sind zugelassen. Anders als Belgien werden die VAE ihr eigenes lokales PINT-Format vorschreiben, das alle Rechnungen erfüllen müssen.

Herausforderung

Die Hauptschwierigkeit liegt in der Strenge des Akkreditierungsprozesses. Anbieter, die bereits in anderen Ländern aktiv sind, qualifizieren sich möglicherweise nicht automatisch, was die grenzüberschreitende Kompatibilität einschränkt und den Pool verfügbarer Zugangspunkte reduziert. Zusammen mit dem beschleunigten Zeitplan setzt dies sowohl Unternehmen als auch Lösungsanbieter unter erheblichen Druck.

 
Malaysia: Pünktlicher Rollout mit Fokus auf Reporting

Malaysia hat sein verpflichtendes E-Rechnungssystem im August 2024 erfolgreich gestartet – nach einer kurzen zweimonatigen Verzögerung. Trotz früherer Bedenken wegen fehlender technischer Dokumentation ging das System live und gilt als seltener Fall pünktlicher Umsetzung in der Region. Der Rollout begann mit Großsteuerzahlern, zukünftige Phasen sollen einer ähnlichen Struktur folgen.

Ansatz

Das Modell Malaysias ist ein Reporting-First-System, bei dem Unternehmen strukturierte Rechnungsdaten an eine staatliche Plattform übermitteln, diese jedoch nicht für den eigentlichen Rechnungsaustausch nutzen. Während der Anfangsphase durften Großsteuerzahler Sammelrechnungen ausstellen, um den Übergang zu erleichtern – ein Ansatz, der auch in künftigen Wellen erwartet wird. PEPPOL wurde zwar in Dokumentationen erwähnt und einem Akkreditierungsprozess unterzogen, die Einführung blieb jedoch begrenzt, möglicherweise aufgrund von Formatunterschieden zwischen PEPPOL und der erforderlichen Berichtsstruktur Malaysias.

Herausforderung

Die größte Schwierigkeit war die Diskrepanz zwischen den Übermittlungserwartungen und der Reporting-Realität. Obwohl PEPPOL ursprünglich für den Rechnungsaustausch vorgesehen war, griffen die meisten Unternehmen auf traditionelle Zustellkanäle zurück und konzentrierten sich nur auf die Einhaltung der Reporting-Pflicht. Die frühe Nutzung der Plattform für den Rechnungseingang wurde schnell von den Behörden eingeschränkt, die ihre Rolle als reine Reporting-Stelle klarstellten und vor Missbrauch warnten.

 
Singapur: Kontrollierter Rollout über InvoiceNow

Singapur führt InvoiceNow ein, ein PEPPOL-basiertes E-Rechnungs-Framework, das von der Steuerbehörde (IRAS) und der InfoComm Media Development Authority (IMDA) entwickelt wurde. Der Rollout erfolgt absichtlich schrittweise, beginnend mit freiwilliger Teilnahme, um die Einführung vor einem künftigen Mandat zu fördern. Ein Zeitplan für die vollständige Einbeziehung aller GST-registrierten Unternehmen ist noch nicht festgelegt.

Ansatz

InvoiceNow nutzt das PEPPOL-Netzwerk, um den strukturierten Rechnungsaustausch und die Echtzeit-Datenübermittlung an IRAS zu ermöglichen. Der Rollout folgt einem gestaffelten Modell:

  • Mai 2025: Frühe Anwender treten freiwillig bei.
  • November 2025: Neu gegründete Unternehmen, die sich für GST registrieren, werden einbezogen.
  • April 2026: Alle anderen freiwillig registrierten GST-Unternehmen werden einbezogen.


Erfasste Transaktionen umfassen steuerpflichtige und nullbesteuerte Lieferungen sowie Einkäufe, bei denen Vorsteuer geltend gemacht wird, während Reverse-Charges und fingierte Lieferungen ausgeschlossen sind.

Herausforderung

Obwohl der Rollout gut strukturiert ist, müssen Unternehmen eine detaillierte Bewertung des Transaktionsumfangs durchführen und die Datenqualität sicherstellen, bevor sie integrieren. Da Zugangspunktanbieter direkt an IRAS berichten, können Datenprobleme die Compliance beeinträchtigen. Zudem lässt das Fehlen einer festen Frist für den vollständigen Rollout die langfristige Planung etwas offen.

 
E-Rechnung in Aktion: Was die Rollouts offenbaren

Obwohl keine zwei Mandate identisch sind, lassen sich einige frühe Muster erkennen, die wertvolle Einblicke in die Umsetzung geben:

  • Strukturierte Formate sind unverzichtbar: Ob PEPPOL-basiert oder national definiert – maschinenlesbare Daten bilden die Grundlage jedes Systems.
  • Zugangspunktanbieter werden zu Compliance-Akteuren: In Ländern wie Belgien, Frankreich und den VAE sind sie nicht mehr nur Vermittler – sie sind verantwortlich für Reporting, Sicherheit und Systemintegrität.
  • Klarheit über den Geltungsbereich bleibt ein wiederkehrendes Problem: Zu verstehen, was unter das Mandat fällt – und was nicht – ist entscheidend, wird aber in der frühen Umsetzung oft übersehen.
  • Rollout-Zeitpläne sind flexibel, aber interne Bereitschaft darf es nicht sein: Länder können Fristen überarbeiten, aber erfolgreiche Umsetzung hängt von sauberen Daten und Integrationsbereitschaft lange im Voraus ab.
  • Compliance treibt Modernisierung: Für viele Unternehmen geht es bei der E-Rechnung ebenso sehr um die Optimierung von Prozessen wie um die Erfüllung regulatorischer Anforderungen.

Lokale Strategien, globale Bedeutung

Wie diese Fallstudien zeigen, gibt es keinen universellen Ansatz für E-Rechnungsmandate. Jedes Land passt sich seinem eigenen rechtlichen, technischen und politischen Kontext an – einige mit beeindruckender Geschwindigkeit, andere durch vorsichtige, gestaffelte Rollouts.

Doch die Richtung bleibt dieselbe: hin zu strukturierten Daten, Echtzeit-Reporting und staatlich geprüfter Compliance. Die Rahmenwerke mögen unterschiedlich sein, doch die Ziele sind geteilt. Am Ende hängt der Erfolg nicht nur von der regulatorischen Vision ab, sondern von ihrer Umsetzung – und die kommenden Jahre werden zeigen, wessen Strategien Bestand haben.

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